Unterrichtsentwicklung im digitalen Wandel
Den Möglichkeiten der digitalen Technologie folgend, wird sich der Unterricht massiv verändern. Die Frage ist nur, ob man diese Entwicklung in kleinen Schritten vollzieht oder ob der Unterricht radikal umgepflügt werden soll. Für beide Entscheidungen gibt es gute Gründe. Das Ziel, sich dereinst in komplexen Lernlandschaften kooperativ bewegen zu können, ist unbestritten. Digitale Technologien bieten neue Chancen für einen differenzierenden und individualisierenden Unterricht in einer heterogenen Lerngruppe. So können auch spezielle Bedürfnisse für Lernende mit besonderem Förderbedarf berücksichtigt werden.
Das Handbuch «Schulqualität» des Kanton Zürich unterscheidet 6 Bereiche zu Unterrichtsqualität: Aufbau fachlicher Kompetenzen, Aufbau überfachlicher Kompetenzen, Lehr- und Lernarrangements, individuelle Lernbegleitung, Beurteilung der Schülerinnen und Schüler und Klassenführung. Die Möglichkeiten digitaler Technologien haben unterschiedlich Einfluss auf diese Teilelemente der Unterrichtsentwicklung. Gerade die ständige Verfügbarkeit von digitalen Nachschlagewerken ruft die Frage nach der Notwendigkeit von gelerntem Fachwissen hervor. Der Aufbau von überfachlichen Kompetenzen in einer immer komplexeren und mehrdeutigeren Welt erhält eine neue Bedeutung. Beispielsweise das kooperative Lösen offener Aufgabenstellungen, das gemeinsame Entwickeln neuer Ideen oder das kritische Diskutieren über gefundene Informationen (siehe auch 4K, Andreas Schleicher, OECD). Lehr- und Lernarrangements sollen daher vermehrt das Entwickeln sowohl von Fach- als auch von Sozial- und Methodenkompetenz ermöglichen wie dies im LP21 geschieht.
Der digitale Wandel ermöglicht und fordert neue Formen der Beurteilung von Schülerinnen und Schülern. Es ist zwar technisch einfacher und schneller, Multiple Choice-Aufgaben oder Aufgaben mit nur einer richtigen Lösung digital zu erstellen und auszuwerten. Es sind aber genau diese Richtig-/Falsch-Aufgaben, die der Komplexität der heutigen Welt und der Entwicklung von Methodenkompetenz nicht Rechnung tragen. Deshalb sind neue Formen von Kompetenznachweisen wie Portfolio oder Rubrics eine Ergänzung. Diese können digital geführt und verlinkt werden (zum Beispiel über OneNote, Notizen von Google Workspace for Education Plus, Mahara, Evernote). Damit können Kompetenznachweise mittels Fotos, Prozessbeschreibungen, Verlinkungen zu Quellen und Bestätigungen umfassend dargestellt werden.
Digitale Zusammenarbeitstools ermöglichen das gemeinsame Entwickeln von Lehr- und Lernarrangements von Lehrteams in und über die eigene Schuleinheit hinweg. Durch das Teilen von Materialen und das gemeinsame Entwickeln von Lehr- und Lernarrangements kann von den verschiedenen Erfahrungen profitiert werden. Wenn der individualisierte Lernweg der Schülerinnen und Schüler noch mehr an Bedeutung gewinnt, wird die Lehrperson vermehrt die Rolle des Coaches übernehmen und massgeschneiderte Unterlagen aussuchen und zusammenstellen können. Eine Sammlung von Materialien im Lehrteam schafft dazu die Grundlagen.
- Weiterbildungen durch PICTS
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Die Anwendung digitaler Technologien im Unterricht wird zu Beginn von zwei Elementen unterstützt: Von der praxisnahen Weiterbildung mit eigenem Ausprobieren durch die Lehrpersonen und von der Unterstützung durch den PICTS. Der PICTS kann sowohl die Vorbereitung von Unterrichtseinheiten als auch die Umsetzung unterstützen. Dabei ist nicht nur das technische Wissen zu den digitalen Tools wichtig («Wie nutze ich ein Tool?»), sondern auch die Anwendung in Bezug auf verschiedene Inhalte und die Kombination mit methodisch-didaktischem Wissen. Damit entwickeln Lehrpersonen ein Verständnis für die Komplexität der Beziehungen zwischen Schülerinnen und Schülern, Lehrpersonen, Inhalten, Methoden und Technologien.
Die Rolle des PICTS ist also eine mehrfache: Er zeigt Neuigkeiten und ihren Einsatz auf und unterstützt die Lehrpersonen bei der Umsetzung.
- SAMR – Modell für Unterrichts- und Organisationsentwicklung
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Mit dem SAMR-Modell von Ruben Puentedura können die erweiterten Möglichkeiten bei der Umsetzung von Lehr- und Lernarrangements durch den Einsatz technischer Hilfsmittel im Unterricht veranschaulicht werden (siehe https://bit.ly/2tDHjGB). Dabei wird die Veränderung des Unterrichts durch den Einsatz technischer Hilfsmittel anhand von Stufen dargestellt. Die unterste Stufe stellt das Ersetzen (Substitution) von etwas Analogem durch etwas Digitales (zum Beispiel Text von Hand oder mit den Softwares Word bzw. Docs von Google Workspace for Education Plus schreiben) dar. Die höchste Stufe bedeutet «Neubelegung» (Redefinition), bei der etwas Neues geschaffen wird, was durch herkömmliche Hilfsmittel nicht möglich gewesen wäre (zum Beispiel ein digitales Storytelling verbunden mit Bildern, Videos, digitalen Klangelementen etc.).
Neben der Unterrichtsentwicklung kann das SAMR-Modell auch in der Organisationsentwicklung eingesetzt werden. Auf der Stufe der Ersetzung (Substitution) werden Informationen statt im Lehrerzimmer aufgehängt, im Intranet der Schule zur Verfügung gestellt. Das Teilen von digitalen Ordnern im Team ist ebenfalls ein Beispiel. Wird die höchste Stufe der Neubelegung (Redefinition) auf die Organisation bezogen, kann dies beispielsweise eine gemeinsame Planung des Unterrichts in einem kollaborativen Notiztool (Evernote, OneNote oder auch Notizen von Google Workspace for Education Plus), verbunden mit der Einbettung von Videos, Kommentaren etc. bedeuten.
SAMR-Modell nach Ruben Puentedura
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- Methoden und erweiterte Unterrichtsformen im digitalen Wandel
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Bisher wurden digitale Technologien in erster Linie als Ersatz für traditionelle Medien genutzt. Damit wird der Unterricht nicht grundsätzlich neu gestaltet. Der Computer wird zum Lexikonersatz, das Tablet zum Arbeitsblattersatz und die interaktiven Whiteboards zum Wandtafelersatz. Das SAMR-Modell schärft den Blick dafür, dass der Einsatz digitaler Technologien vor allem auf den Stufen «Änderung» und «Neubelegung» wirklich neue Möglichkeiten darstellt.
Gemäss B. Bloom zeichnen sich höhere Taxonomiestufen dadurch aus, dass die Komplexität des zu erreichenden kognitiven Lernziels zunimmt. Dies reicht von der Stufe 1 «Wissen wiedergeben» bis zur Stufe 6 «Kreieren». Das 4-stufige SAMR-Modell korrespondiert gut mit der zunehmenden Komplexität der Aufgabenstellung und dem Ziel, Neues zu schaffen (kreieren), wie sie auch die Bloomsche Taxonomie kennt.
Der Einsatz digitaler Technologien im Unterricht bietet neue Möglichkeiten, insbesondere die Nutzung digitaler Kommunikationstools und die Schaffung schülerzentrierter Lehr- und Lernarrangements. Letztere bietet vermehrt die Möglichkeit zur Differenzierung, Individualisierung und Personalisierung im Unterricht. Mithilfe von Lernplattformen (educanet 2, Microsoft Teams, Meet von Google Workspace for Education Plus, Moodle, Ilias etc.) stellt die Lehrperson differenzierte Angebote für verschiedene Schülerinnen- und Schülergruppen zur Verfügung. Diese werden mithilfe digitaler Tools bearbeitet. Die Individualisierung setzt auf zwei Ebenen an. Einerseits besteht die Möglichkeit, den Unterricht mittels digitaler Tools individuell zu planen (individualisierte Unterrichtsplanung). Andererseits wird die Individualisierung mithilfe von Lern-Software bzw. Lern-Apps umgesetzt. Die Schülerinnen und Schüler erhalten ihrem Lernstand angepasste Aufgaben. Einen Schritt weiter geht die Personalisierung des Unterrichts mithilfe digitaler Tools. Hier erfolgt die Steuerung nicht mehr durch die Lehrperson, sondern durch die Schülerin, den Schüler selbst. Sie halten sowohl Lernergebnisse als auch Lernprozesse in der persönlichen Lernumgebung fest (PLE, Personal Learning Environment). Sie nutzen dazu meistens ebenfalls digitale Tools (zum Beispiel OneNote, Notizen von Google Workspace for Education Plus oder Mahara). Wie diese genutzt werden und in welcher Form die Einträge mit der Lehrperson geteilt werden, entscheidet die Schülerin, der Schüler. Die Lehrperson begleitet und steuert das Lernen in Form von gemeinsamer Lernreflexion, gezielter Kontrolle und in Gesprächen, sowohl digital als auch analog/schriftlich.
Das Lernen macht an der Grenze der Klasse oder des Schulhauses nicht halt. Durch die Nutzung digitaler Tools können sich Schülerinnen und Schüler zu Lernnetzwerken zusammenschliessen. Dabei steht das Interesse an einem gemeinsamen Thema im Vordergrund. Ein Beispiel dafür sind die Scratch-Communities, in denen junge Menschen ihre mithilfe des Scratch-Programms erstellten Projekte vorstellen. Sie nutzen dabei die Möglichkeit, sich auszutauschen und gegenseitig zu helfen, und motivieren sich gegenseitig, ohne sich kennen zu müssen.
Sonderpädagogische Aspekte der Unterrichtsentwicklung
Digitale Technologien eröffnen neue Chancen auch für Menschen mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen und mit Behinderung, weil sie Einschränkungen kompensieren können und den Zugang der Betroffenen zu Informationen, zur Bildung und Arbeitswelt ermöglichen. ICT hat das Potenzial, die Partizipation dieser Lernenden am gesellschaftlichen Leben zu verbessern oder gar zu ermöglichen.
- Förderzyklen mit ICT
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Digitale Technologien unterstützen Förderzyklen:
- Diagnose: Mit digitalen Orientierungstests wird der Lernstand von ganzen Klassen oder von einzelnen Lernenden effizient erfasst.
- Förderplanung: Heilpädagoginnen und Heilpädagogen werden bei der Auswahl individueller Fördermassnahmen und -materialien unterstützt. Dies ist jedoch kein Ersatz für deren Expertise.
- Förderung: Im Unterricht unterstützen und ergänzen digitale Tools die Arbeit der sonderpädagogischen Fachpersonen. Deren zwischenmenschliche Beziehungen zu den Lernenden sind aber weiterhin entscheidend wichtig.
- Evaluation: Nachtests dokumentieren den Lernzuwachs. Grafiken zeigen beispielsweise, wo der Lernprozess erfolgreich war und was im nächsten Förderzyklus angepackt werden kann.
- Fördern mit ICT
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Seit einigen Jahren werden immer mehr Lern-, Lehr- und Fördermittel mit digitalen Elementen eingesetzt. Auch ausserhalb der offiziellen Lehrmittel existiert eine ganze Reihe digitaler Tools, die für die individuelle Förderung von Lernenden mit besonderem Bildungsbedarf relevant sind. Tools bieten beispielsweise folgende Chancen für die individuelle Förderung:
- sind leicht zugänglich aufbereitet (sprachlich, grafisch, technisch usw.)
- weisen unterschiedliche und leicht anpassbare Anforderungsstufen auf
- bieten abwechslungsreiche Interaktionen, z.B. verschiedenartiges Üben
- ermöglichen eine Vielfalt an Lernstrategien und multiple Lerngelegenheiten
Interkulturelle Aspekte der Unterrichtsentwicklung
Digitale Medien und Tools leisten einen wichtigen Beitrag für das Erlernen von Deutsch als Zweitsprache und für das Kennenlernen verschiedener Kulturen. Augmented und Virtual Reality beginnen, neue und faszinierende Dimensionen interkulturellen Lernens zu ermöglichen.
- DaZ - unterstützt mit digitalen Medien und Tools
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Seit einiger Zeit werden DaZ-Lehr- und Fördermittel auch als E-Books und teilweise mit digitalen Elementen angeboten. Ein gutes Beispiel hierfür ist das DaZ-Lehrmittel «startklar – Deutsch für Jugendliche» mit umfangreichem Zusatzmaterial auf einer Webplattform. Zusätzlich existieren etliche digitale Tools, die für die individuelle Förderung von DaZ-Lernenden sehr nützlich sind. Diese bieten beispielsweise folgende Chancen:
- nutzen die sprachlichen und kulturellen Ressourcen der Erstsprachen
- sind leicht zugänglich aufbereitet (sprachlich, grafisch, technisch usw.)
- weisen unterschiedliche und leicht anpassbare Anforderungsstufen auf
- bieten abwechslungsreiche Interaktionen, z.B. verschiedenartiges Üben
- Orientierung in einem fremden Kulturraum durch Augmented Reality
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Augmented Reality, auch erweiterte Realität genannt, bezeichnet eine computergestützte Darstellung, welche die reale Welt durch virtuelle Elemente erweitert. Mit Hilfe eines Smartphones, Tabelets oder einer speziellen Brille können beispielsweise bestimmte Objekte der Realität mit deutschen oder fremdsprachigen Begriffen versehen, erklärt und weiter veranschaulicht werden. Dies hilft auf intuitive und faszinierende Art bei der Orientierung in einem fremden Kulturraum.
- Verschiedene Kulturräume virtuell erleben durch Virtual Reality
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Virtuelle Realität bietet mit Hilfe einer VR-Brille und Bewegungssensoren für die Extremitäten zusätzliche Möglichkeiten für die Veranschaulichung und für Interaktionen. So ist beispielsweise ein virtueller Rundgang durch die Hauptstadt (oder einen anderen kulturellen Hotspot) des Herkunftslandes von Schülerinnen und Schülern möglich. Kulturen und Lebensbereiche, die in der Realität nicht ohne weiteres besucht oder bereist werden können, werden so auf visuelle Art erlebbar. Kombiniert mit einem virtuellen Treffen in einer Videokonferenz können sich die Lernenden mit Schülerinnen und Schülern, die in einer anderen Umgebung und einem fremden Kulturkreis leben, sehen und austauschen. Dazu können auch nonverbale Kommunikationsformen wie beispielsweise Gesten, Pantomime usw. genutzt werden.
Handlungsempfehlungen
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Die Schule nutzt SAMR als Denkmodell zur Weiterentwicklung des Unterrichts mit digitalen Technologien. Erste Umsetzungen auf den Stufen «Ersetzen» und «Erweiterung» sind realisiert. In gemeinsamen Weiterbildungen entwickelt die Schulkonferenz zusammen mit dem PICTS Lernarrangements zu diesen beiden Stufen unter der Berücksichtigung der vorhandenen Infrastruktur.
Das SAMR-Modell wird auf allen vier Stufen für den Unterricht verwendet, und dessen Nutzung ist erprobt. In gemeinsamen Weiterbildungen werden Lernarrangements auf allen vier Stufen (weiter-)entwickelt und bereits gemachte Erfahrungen geteilt.
Das SAMR-Modell wird im Sinne von «Aufgaben neu lösen» (Neubelegung) auch mit den Schülerinnen und Schülern thematisiert. Der Austausch und die gemeinsame Weiterentwicklung innerhalb der eigenen Schule und mit anderen Schulen zur Gestaltung von Lernarrangements unter Einbezug digitaler Technologien findet statt.